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Tagung

Dr. Albert von Brochowski

Dr. Albert von Brochowski, Vorsitzender der Ärztekammer Saar 1945-1950

Rede anlässlich der Wiederaufnahme der wissenschaftlichen Tagungen für saarländische Ärzte nach dem Krieg (2. HJ. 1945)

Dr. Albert von Brochowski Audio Datei

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Meine Damen und Herren! Zum ersten Male nach dem Zusammenbruch des Reiches findet die saarländische Ärzteschaft heute wieder die Gelegenheit, sich auf einer Tagung zusammenzufinden. Die alte Homburger Tradition, die uns einst so sehr am Herzen lag, lebt wieder auf. Wenn auch diese Tagung eine Wissenschaftliche Tagung ist und demnach wissenschaftliche Themen ihren Gegenstand bilden, so glaube ich doch, dass man diesen Tag des ersten Wiederzusammenkommens nicht vorübergehen lassen kann, ohne einige Augenblicke einer gemeinsamen inneren Sammlung zu widmen, um einen Blick auf die Vergangenheit zu werfen.

Dass der Weg, den wir zur Gestaltung unseres Gemeinschaftslebens in den letzten 15 Jahren gegangen sind, ein falscher Weg gewesen ist, das bedarf heute keines Beweises. Wir brauchen nur die Augen zu öffnen und um uns herum zu schauen, um das Ausmaß der Katastrophe, in die uns dieser Weg geführt hat, zu erfassen; und wir brauchen nur die Ohren offen zu halten, um zu erfahren, dass nicht nur wir die Folgen der unglückseligen Politik unserer Staatsführung zu tragen haben, sondern, dass sich über die ganze Welt eine furchtbare Welle von Unglück und Elend ausgebreitet hat, gleichsam einem Fluch, von dem die Menschen noch nicht wissen, wie sie es anstellen sollen, um ihn von sich abzuschütteln. Angesichts des Umfanges dieser Katastrophe, der Vollständigkeit der Vernichtung unserer persönlichen, unserer kulturellen und unserer nationalen Werke, angesichts des zerstörten Gutes in der ganzen Welt und der Verelendung aller Völker, vor den Gräbern von Millionen von Soldaten, die ihr Leben opfern mussten, vor dem grausamen Schicksal Abermillionen von Menschen, die von Haus und Hof verjagt, ihr einst glückliches und friedliches Familienleben tauschen mussten mit dem Los des Vertriebenen, des Wanderers ohne Hoffnung und ohne Ziel, vor einer solchen Anhäufung des Leides muss die Frage gestellt werden: Wer trägt daran die Schuld? Und jeder von uns muss sich fragen: Wie groß ist meine Schuld?

Nicht Schuld vor den Menschen, nicht Schuld im straf- oder völkerrechtlichen Sinne, für die man in Nürnberg oder in Rastatt zur Verantwortung gezogen werden könnte; nicht schuld gegenüber den gestrigen Gegnern, dies und jenseits der Grenzen, für die man heute in die Gefahr kommen könnte, von den Maßnahmen einer Säuberungskommission erfasst zu werden; diese Schuld meine ich nicht. Ich meine die Schuld, zu der sich jeder, der ehrlich gegen sich selbst ist, bekennen wird, wenn er in einer Stunde der Besinnlichkeit allein mit sich selbst und mit seinen Erinnerungen, sein Gewissen erforscht: Die Schuld vor dem eigenen Gewissen! Von ihr ist bis jetzt nur wenig die Rede gewesen. Wo nach Schuld gefragt wird erforscht man das Eintrittsdatum in die Partei, den Rang in der SA und andere mehr äußerliche. Dinge, die den Kern der Sache wenig treffen und im Bestreben vor den Kommissionen ihre Unschuld unter Beweis zu stellen unterlassen es die meisten sich vor dem eigenen Gewissen über das wahre Maß ihrer Mitverantwortung Rechenschaft zu geben; ganz zu schweigen von denjenigen die einen weißen Fragebogen abgeben können und glauben, damit die Sache auch vor Gott abgetragen zu haben.

Es ist so einfach zu sagen: Wie konnte ich 1933 wissen, welche Folgen die Herrschaft des Nationalsozialismus nach sich ziehen würde, wie konnte ich ahnen, was die Führer dieser neuen Bewegung im Schilde führten? Wenn alte PG dieses Argument für sich in Anspruch nehmen, so wäre ihnen Recht zu geben. Wir haben einige in unseren Reihen; es sind die Jüngeren, die als Studenten in die Partei gingen, im Glauben, auf diese Weise am besten ihrem Lande zu dienen; zu Unrecht wird heute auf sie die Hauptlast der Verantwortung abgewälzt. Mit der Zeit traten aber Ereignisse ein, die ein offenes Licht auf die wahren Absichten und auf den Charakter Adolf Hitlers warfen. Seine Absichten hat er ja selbst bekundet in seinem Buch „Mein Kampf"; dort konnte sich jeder eingehend darüber unterrichten.

Und sein Charakter? Im Sommer 1932 war es, dass in Schlesien zwei Banditen, Angehörige der SA, des nachts in die Wohnung eines kommunistischen Arbeiters eindrangen und diesen in einer Weise umbrachten, die man nur als bestialisch bezeichnen kann. Sie wurden gefasst und zum Tode verurteilt; es war die erste Anwendung des neuen Gesetzes, das für politischen Totschlag die Todesstrafe androhte; der Fall erhielt dadurch eine sensationelle Note; kein Zeitungsleser konnte ihn damals übersehen haben. Hitler hätte sich von diesem Verbrechen distanzieren können; er hätte auch schweigen können, das hätte man noch verstanden, aber was tat er? Er schickte den Beiden ein Telegramm; und in diesem Telegramm bekannte er sich zu ihnen und zu ihrer scheußlichen Tat. Dadurch drückte er sich, zum ersten Male in seinem Leben, den Stempel des Verbrechens auf die eigene Stirn! Wer danach der Partei beitrat, musste wissen, dass er einem Verbrecher Treue und Gehorsam schwur; er kann heute nicht kommen und sagen: Ich wusste nicht was ich tat!

Denn, wozu hat uns Gott den Verstand gegeben, der uns gewissermaßen zu dem Adligen unter den irdischen Geschöpfen macht? und wenn es wahr ist, dass Adel verpflichtet, so kann mit noch mehr Recht gesagt werden: Menschsein verpflichtet, verpflichtet zum Denken!

Wer dieser, jedem auferlegten Verpflichtung von seinem Gehirn den physiologisch vorgeschriebenen Gebrauch zu machen, nachkam, der musste die Zeichen der Zeit erkennen; der durfte z.B. nicht übersehen, dass schon die angeblich legale Übernahme der totalen Macht gar nicht legal vor sich ging, sondern nur durch einen Verfassungsbruch möglich wurde. Ich erinnere Sie an die Geschehnisse der damaligen Zeit: Das Ermächtigungsgesetz das der Abschaffung der Freiheit den Schein der Legalität verleihen sollte, konnte nur mit 2/3-Mehrheit des damaligen Reichstages beschlossen werden; die kommunistische Partei hätte es zu Fall bringen können; das musste verhindert werden. Also schickte Hitler seine Schergen aus und ließ sämtliche kommunistische Abgeordnete verhaften; der so amputierte Reichstag verabschiedete das Gesetz. Das war gegen die Verfassung, denn die kommunistischen Abgeordneten standen unter dem Schutz der parlamentarischen Immunität. Niemand hatte das Recht, sie festzunehmen. Hitler hatte wenige Wochen davor bei Übernahme der Kanzlerwürde unter Eid versprochen, die Verfassung einzuhalten, ja sogar vor Verletzungen zu schützen. Wenn er auch selbst nichts dabei fand, sein Wort zu brechen, so gab es damals noch eine öffentliche Meinung in Deutschland und in der Welt, die solche Dinge ernster zu nehmen pflegte. Der Nationalsozialismus griff in solchen Lagen immer zum gleichen Ablenkungsmanöver: Er setzte irgendetwas in Szene, das die Geister so in Bann hielt, dass sie an das andere, an das, was es zu vertuschen galt, gar nicht mehr dachten. In diesem Falle, zur Vertuschung der verfassungswidrigen Verhaftung von Mitgliedern des deutschen Reichstags, steckte Göring das ehrwürdige Reichstagsgebäude, den Stolz der Reichshauptstadt und das Wahrzeichen der Nation in Brand, um in der Glut der aus seinem Dach emporschlagenden Flammen die Stimmender verhafteten Kommunisten und die Klagen der Patrioten zu ersticken. Das alles hätten Menschen, vor allem akademisch Gebildete, erkennen müssen, wenn sie sich die Mühe gegeben hätten, etwas nachzudenken. Dass sie dies nicht taten, das war ihre Schuld; dass sie sich durch Taschenspielerkünste einnebeln ließen, ohne die Würdelosigkeit eines solchen Versagens überhaupt zu empfinden, das begründet heute das Maß ihrer Mitverantwortung am Unglück, das uns alle umgibt.

Doch man könnte sagen: Von Politik verstand ich nichts - Gerade Ärzte gebrauchen heute diese Ausrede gerne. Wer aber könnte auch sagen: ich verstand nichts von der Moral?----- Wer könnte sagen: ''davon verstehe ich nichts", als Hitler, der als Regierungschef bis dahin nur gegen die Gesetze des Staates verstoßen hatte, nunmehr, im Bewusstsein seiner Kraft, dazu überging, gegen die Gesetze der Moral zu verstoßen; als er gegen alle deutschen Staatsangehörigen jüdischer Religion oder Rasse den offenen Kampf entfesselte, ihre Geschäfte ausplündern ließ, alle Juden recht- und brotlos machte, ihre Vermögen beschlagnahmte, sie jahrelang quält um sie schließlich in grausamster Weise der Ausrottung preiszugeben. Wer fand sich, der seine Stimme dagegen erhob?---- Wo blieben unsere Akademiker unsere Professoren, unsere Künstler? Wo blieben unsere Richter, unsere Theologen die natürlichen Hüter der Moral und Verteidiger ihrer Grundsätze? Wo blieb die Elite des deutschen Geistes? Man sage nicht: Wir konnten ja nichts tun! Damals wäre es der Elite sehr wohl noch möglich gewesen durch stimmungsmäßige Beeinflussung der Volksseele die noch schwachen Fundamente des nationalsozialistischen Regimes entscheidend zu erschüttern. Warum wurden nicht am gleichen Tag von allen Kanzeln, den kirchlichen wie den akademischen im weiten Deutschen Reich flammende Proteste gegen diese Verletzung der Moral erhoben, gegen diese Vergewaltigung einer ganzen Gruppe von Mitbürgern, die, wenn man sie als solche auch entrechtete, immerhin doch Menschen waren?---- Warum wagten die Anständigen unter uns nicht, ihrer Missbilligung laut und deutlich Ausdruck zu verleihen? Warum sagte man dem Volk, dem einfachen Manne, der Jugend, nicht, dass Verbrechen ein Verbrechen bleibt und Sünde eine Sünde, gleichzeitig, ob ein einzelner, eine Partei oder die staatliche Obrigkeit sie begeht? Die deutsche Elite rührte sich nicht; aus Selbstsucht, aus menschlicher Schwäche; sie schwieg! das war ihre Schuld!

Für das, was später geschah, kann man keinem unter uns mehr die Verantwortung zuschieben. Denn jetzt begann die staatlich gelenkte Propaganda in der ganzen Welt die Geister zu verwirren, sodass selbst das offizielle Ausland nichts mehr unternahm, um seine Missbilligung über die neuen deutschen Verhältnisse klar zum Ausdruck zu bringen. Kein Staat der Welt weigerte sich, die Regierung Adolf Hitlers anzuerkennen; im Gegenteil der Zustrom der ausländischen Diplomaten nach der Reichshauptstadt mehrte sich, die Welt sparte nicht mit Zeichen der Achtung und der Ehrung für die Führer des 3. Reiches. Vielleicht glaubte es, auf diese Weise am ehesten die Möglichkeit zu haben, in milderndem Sinne auf die Maßnahmen der nationalsozialistischen Staatsführung Einfluss zu gewinnen. Wie dem auch sei, je weiter die Entwicklung in dieser Richtung fortschritt, umso verständlicher wurde es, dass die Masse des Volkes die Wirrnisse des Jahres der Machtergreifung immer mehr aus dem Gedächtnis verlor, die fortgesetzte Niedertretung der sittlichen Werte als solche gar nicht mehr sah und allmählich gar nichts mehr dabei fand, dass in Deutschland das Menschenrecht nichts mehr galt.

Nicht anders war es auf dem Gebiet der großen Politik. Der Vatikan, im guten Glauben an die durch Papen gegebenen Zusicherungen, schloss als erster Verträge mit Hitler ab; England und die übrigen Staaten folgten. Je aggressiver Hitler mit den anliegenden Nachbarländern umging, desto mehr wich das Ausland zurück. Kein Wunder, dass sich in Deutschland immer mehr die Überzeugung breitmachte, dass auch das Völkerrecht nicht mehr galt und dass die Macht, die Waffengewalt, die Kräfte seien, denen es nicht nur de facto, sondern auch de jure oblag, das Schicksal der Welt zu gestalten. Zur Verhinderung des Krieges waren im August 1939 in Deutschland sowohl die materiellen, wie die ideellen Voraussetzungen nicht mehr gegeben.

Damit soll nicht gesagt werden, dass den Einzelnen keine Schuld an den Kriegsereignissen trifft. Gewiss, den Krieg selbst und die Verletzungen des Kriegs- und Völkerrechts konnte der einzelne Mann nicht verhindern; er brauchte aber nicht immerfort und grenzenlos seine Zustimmung und seine Begeisterung zu bekunden, überall wo es von ihm verlangt wurde. Hier muss wieder gegen jeden, besonders gegen uns Akademiker, der Vorwurf erhoben werden, gegen die Verpflichtung zum Denken und mit Hilfe des Verstandes die Wahrheit zu ergründen, verstoßen zu haben.

Denn die Wahrheit war leicht zu erkennen: Ich brauche nur an Norwegen, an Dänemark, an Belgien und Holland zu erinnern! Was hatten diese Völker uns getan? Die Behauptung, sie seien bereit gewesen, als Aufmarschgebiet gegen uns zu dienen, zeugte nur von der Phantasielosigkeit der deutschen Diplomatie; denn die Alliierten dachten doch ganz offensichtlich nur an die Defensive. - Ich brauche nur an Jugoslawien und an Griechenland zu erinnern! Was hatten diese Länder uns getan? Doch nichts weiter, als dass sie auf ihr Selbstbestimmungsrecht pochten, als wir sie zwingen wollten, ihre Neutralität zu Gunsten der Achse aufzugeben. Gegen das Völkerrecht betraten die deutschen Truppen den historischen, allen kultivierten Völkern der Welt heiligen Boden des Landes der alten Griechen; schritten deutsche Panzerkolonnen durch die Thermopylen, wo einst Leonidas im Kampf um die Freiheit fiel! Ob dieser traurigen Tat, ob dieses billigen Sieges, erhob sich ein Sturm des Jubels und der Begeisterung, in Deutschland, dem Land der Humanisten.

Nun ging es gegen Russland. Zwar hatte man zuvor mit diesem Land einen Nichtangriffspakt abgeschlossen; zwar hatte man theatralisch vor aller Welt erklärt - im Oktober 1939- dass die Freundschaft zwischen Deutschland und Russland eine Tatsache geworden sei, welche die Grundlage der europäischen Politik auf Jahrhunderte hinaus bestimmen würde; man verdankte ihr ja auch die Möglichkeit, im Westen den Blitzfeldzug zu führen. Jetzt stand man am Kanal; im Westen gab es keine Front mehr, die Neutralität Russlands war demnach militärisch nicht mehr von Bedeutung und der Nichtangriffspakt infolgedessen nicht mehr interessant. Ein Vertrag, der für Hitler nicht mehr interessant war, war in seinen Augen für ihn auch nicht mehr bindend; das war ein wesentlicher Bestandteil seines politischen Denkens. So gab er den verhängnisvollsten seiner Befehle und schickte Goebbels vor das Mikrophon, um vor dem erwachenden Volk das Gespenst der asiatischen Gefahr an die Wand zu malen.

Auch hier klare Verhältnisse, die keiner, der denken wollte, missverstehen konnte. Und dass es wahr ist, was ich sage, das können Sie an dem Schreck ermessen, der das deutsche Volk erzittern ließ, als die Kunde des Einmarsches sich verbreitet hatte; jeder fühlte es genau, dass hier etwas nicht stimmte. Erst als die Siegesmeldungen kamen, als die von Fanfaren und Trompeten eingeleiteten phantastischen Sondermeldungen sich häuften klärte sich das Gesicht der deutschen Menschen wieder auf, fiel der beklemmende Druck von ihren Herzen und wandelte sich ihre Sorge in ein sich nunmehr in Jubel und Begeisterung entladendes Gefühl der Erleichterung um. Armes deutsches Volk! Das Verbrecherische der Tat konnte es gar nicht mehr sehen; es dachte nur an die Gefahr für seine Söhne; und als es glaubte, diese Gefahr sei nicht so groß, als es im Anfang fürchtete, fand es sich wieder bereit, allem zuzustimmen und alles zu verherrlichen.

Bald aber konnte sich niemand der Wahrheit mehr verschließen; denn nun ließen selbst die Führer des Regimes die Maske fallen und dokumentierten durch ihre eigenen Worte den imperialistischen Charakter der deutschen Kriege. Der ungestüme Göring konnte in seiner letzten Rede, im September 1942, sein Temperament nicht zügeln und sagte frei heraus: "die russische Kohle das russische Erz, die russischen Kornfelder, die haben wir; die Steppe wollen wir gar nicht haben, die können die Russen selbst behalten!'' Meine Damen und Herren, Sie haben diese Rede auch gehört, auch Sie konnten die Ereignisse verfolgen! Wer heute für sich geltend machen will, er habe von nichts gewusst der verkennt, dass darin gerade seine Hauptschuld liegt: jeder Staatsbürger ist verpflichtet die Landesgesetze zu kennen; jeder Mensch ist verpflichtet, sich über Ereignisse von solcher Tragweite, wie dieser Krieg seine eigenen Gedanken zu machen. Spätestens nach Stalingrad musste jeder den völkerrechtswidrigen Charakter unserer Kriegsführung erkannt haben. Denn jeder wusste, oder musste es wissen, dass die Deportierung von Millionen von Arbeitern aus den besetzten Ländern gegen die Genfer Konvention verstieß; jeder wusste, dass wir uns in Deutschland nur deshalb satt essen konnten, weil wir entgegen den Genfer Bestimmungen, den besetzten Gebieten auch das Letzte wegnahmen und die Menschen dort Jahre hindurch hungern und frieren ließen; und jeder wusste auch dass im Osten hinter der Front, das von unseren Truppen eroberte Gebiet den Sonder-Kommandos der SS zur sogenannten Säuberung des Hinterlandes überlassen wurde; jeder ahnte, dass entsetzliche Dinge sich dort abspielten, dass ganze Städte zerstört, ganze Landstriche in elende Ödesflächen verwandelt wurden, dass tausende glücklicher Familien, hunderttausende ahnungsloser Frauen und Kinder von ihren friedlichen Dörfern vertrieben, als bettelarme Flüchtlinge in die Fremde ziehen mussten. Jeder wusste es; und deshalb konnte man, als die Rückschläge kamen, nach Stalingrad und nach El Alamein so oft den Satz hören: "Diesen Krieg dürfen wir auf keinen Fall verlieren, denn sonst geht es uns schlecht!" Waren diese Worte - ich hörte sie hundertmal - nicht ein Zeichen dafür, dass wir im Bewusstsein der eigenen Schuld die Rache unserer Gegner fürchteten, für den Fall, dass der Sieg nicht unser, sondern ihnen sein sollte!

Wer heute sagt: "Mich trifft keine Schuld, ich habe mich nie politisch betätigt", dem sei erwidert, dass es darauf gar nicht ankommt; hier geht es nicht darum, ob einer 1933 oder 1936 oder gar nicht in die Partei eintrat, ob man sich der SA oder der SS anschloss. Hier gilt nur die Frage: War das eine Schuld oder war es keine, es zuzulassen, dass die Gesetze der Gerechtigkeit und der Moral im Namen der Nation zertreten wurden? War es Schuld oder war es keine, dass man sich nicht die Mühe gab, die im eigenen Namen begangenen Untaten und Ungesetzlichkeiten als solche zu erkennen, dass man sie aus Selbstsucht, aus lauter Angst um die eigene Sicherheit nicht wahrhaben wollte; wie der Vogel Strauß den Kopf lieber in den Sand steckte, um das, was man in der Tiefe seines Bewusstseins als Unrecht empfand, nicht zu sehen, um es zu vergessen, als nicht geschehen betrachten zu können? Und war es eine Schuld oder war es keine, dass man, als die Wahrheit sich schließlich jedem aufdrängte, die Menschenrechte der nationalen Selbstsucht opferte und bis zum Schluss - unter Berufung auf die Liebe zum Vaterland - die nationalen Werte über die ethischen Werte setzte?

Meine Damen und Herren; das ist die Schuld, die jeder auf sich geladen hat! Diese Schuld trägt jeder nur gegen sich selbst, nicht gegen die andern; denn die andern haben mit sich allein genügend zu tun. Es ist keine Schuld, für die man vor diesem oder jenem Ausschuss zur Rechenschaft gezogen werden könnte; niemand kann sich anmaßen, hier Richter seines Nächsten zu sein! Jeder muss sie vor sich selbst abtragen. Das aber muss jeder tun; denn sonst wäre alles vergebens gewesen, was wir, Nazis und Nichtnazis, in diesen Jahren gelitten haben: Die Schrecken des Bombenkrieges, die Zerstörung unserer Städte, der Tod unserer Lieben, die Zerrüttung unserer Familien, die Vernichtung unserer Existenzen; all das wäre sinnlos, wäre zu schwer zu ertragen, wollten wir nicht darin die Sanktion erblicken, die Gott uns allen auferlegte, für die-8chuld9 die alle gleichsam trifft.

Meine lieben Kollegen und Kolleginnen! Wie ich eingangs sagte, habe ich es nötig gefunden, auf dieser ersten Wiederzusammenkunft der saarländischen Arzte Stellung zu den vergangenen 12 Jahren zu nehmen; ich hielt es nicht für richtig, auf dieser ersten Nachkriegstagung einfach zu den gewohnten Themen überzugehen, als ob nichts geschehen wäre. Einmal musste auch vor diesem Gremium offen ausgesprochen werden, wie die Dinge in Wirklichkeit lagen. Es war nicht meine Absicht, eine Kampfstellung zu beziehen. Ich weiß, dass viele unter Ihnen mit Sorge in die Zukunft blicken; Sie mögen nicht glauben, dass jeder, der selbst unter den Ungerechtigkeiten eines politischen Regimes zu leiden hatte, deshalb danach streben wird, Gleiches mit Gleichem zu vergelten. Ich bin nicht dafür, dass der politische Hass weiter unter uns gesät werde. Ich wünschte, dass möglichst bald der Schlussstrich unter dieser unglückseligen Vergangenheit gezogen werden könne. Diesmal muss aber jeder ehrlich im Spiele sein; wer aufrichtig zu einem "Mea culpa" kommt, dem soll alles vergessen sein. An alle richte ich den Appell zur Eintracht und Versöhnung. Ich möchte auf den mir so oft von allen Seiten gemachten Vorhalt, die Ärzte seien besonders stark belastet, möglichst bald die Antwort geben können: Vielleicht,- aber sie waren auch die ersten, die es eingesehen haben, die ersten, die aufrichtig "Pater pecavi" sagten, die ersten, die durch Selbsterkenntnis ihr Gewissen selbst befreiten, und sie waren die ersten, die sich mit offenen Armen und mit warmem Herz den Gegnern von Gestern näherten, ehrlich bereit, sich, nach innen und außen, mit allen Menschen endlich und endgültig zu versöhnen.

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